01/20/2025
"Idealer Behandlungszeitpunkt"
Vortrag von Dr. Hodecker
BERÜCKSICHTIGUNG DER S3-LEITLINIE
„IDEALE BEHANDLUNGSZEITPUNKTE
KIEFERORTHOPÄDISCHER ANOMALIEN“
ANGLE-KLASSE-III – EVIDENZBASIERTE BEHANDLUNG
VON ANOMALIEN DES PROGENEN FORMENKREISES
von OA Lutz Dieter Hodecker
Einleitung und Prävalenz
Klasse-III-Anomalien, die durch eine vorstehende Unterkieferposition
gekennzeichnet sind, betreffen etwa 6 % der globalen
Bevölkerung im bleibenden Gebiss. In Europa sind es rund 3 %.
Diese Anomalien können zu ästhetischen, funktionalen und
psychosozialen Beeinträchtigungen führen. Die Behandlung
hat das Ziel, skelettale und dentale Fehlstellungen sowie das
Weichteilprofil zu verbessern und funktionelle Probleme zu
minimieren.
Behandlungsansätze und Evidenzbasis
Die Therapieoptionen reichen von interzeptiven Maßnahmen
im frühen Kindesalter bis hin zu chirurgischen Eingriffen im
Erwachsenenalter. Die S3-Leitlinie basiert auf Studien mit hoher
Evidenz (LoE 1++ bis 2+), die den Nutzen der verschiedenen
Ansätze belegen.
1. Frühbehandlung (vor dem 10. Lebensjahr)
1. Herausnehmbare Apparaturen wie der Funktionsregler nach
Fränkel Typ III (FR3) werden bei leichten bis moderaten Fällen
eingesetzt.
2. Maxilläre Protraktion mit Delaire-Masken zur Förderung des
Oberkieferwachstums.
3. Ziele: Verbesserung der skelettalen Beziehungen und
Förderung normaler orofazialer Funktionen. Studien zeigen
signifikante Verbesserungen in skelettalen und dentoalveolären
Bereichen sowie der Ästhetik (LoE 1++, 2+).
2. Behandlung im Wechselgebiss und frühen
bleibenden Gebiss (10-16 Jahre)
1. Skelettal verankerte Apparaturen wie die MIRA-Apparatur
werden bei schwereren Fällen verwendet.
2. Aktive Wachstumskontrolle und dentale Kompensation stehen
im Fokus.
3. Ergebnisse: Verbesserte dentoalveoläre Okklusion und
skelettale Beziehungen (LoE 1++, 2++).
3. Spätbehandlung (Erwachsenenalter)
1. Bei abgeschlossener Wachstumsphase sind kieferorthopädisch-
kieferchirurgische Therapien die bevorzugte Option.
Dazu gehört die bimaxilläre Umstellungsosteotomie zur Korrektur
schwerer Fehlstellungen.
2. Ziele: Verbesserung der Gesichtsästhetik und funktionelle
Korrektur. Psychosoziale und mastikatorische Verbesserungen
werden ebenfalls berichtet (LoE 2++).
Auswirkungen auf Ästhetik und Funktion
Die interzeptive Frühbehandlung zeigt signifikante Verbesserungen
im Weichteilprofil und der dentofazialen Ästhetik. Maxilläre
Protraktionstechniken tragen auch zur Erweiterung der oberen
Atemwege bei. Insgesamt steigern die Behandlungen das psychosoziale
Wohlbefinden und verbessern Kaufunktionen.
Konsens und Evidenzgrad
Die Leitlinie wurde mit einem breiten Konsens (z. B. 18/1/0 für
Frühbehandlung) verabschiedet. Sie stellt die hohe Wirksamkeit
evidenzbasierter Behandlungsansätze heraus.
Fazit
Klasse-III-Anomalien erfordern ein individuell abgestimmtes
Behandlungskonzept, das den Wachstumsstand und die
Schwere der Fehlstellung berücksichtigt. Frühzeitige Eingriffe
bieten das Potenzial, das Wachstum des Oberkiefers zu fördern
und die Prognose der Therapie zu verbessern. Im Erwachsenenalter
sichern kombinierte chirurgische und orthodontische
Maßnahmen ästhetisch und funktionell stabile Ergebnisse.
Auszug aus:
Kieferorthopädische Konzepte unter besonderer Berücksichtigung
der S3-Leitlinie „Ideale Behandlungszeitpunkte
kieferorthopädischer Anomalien“
Teil 2: Angle-Klasse-III – Evidenzbasierte Behandlung von
Anomalien des progenen Formenkreises
Carolien A. J. Bauer, Christopher J. Lux, Lutz D. Hodecker
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